Reise in die Psyche

In einem letzten Verzweiflungsakt seines letzten Bisschens Hoffnung suchte er sämtliche Bücher zu dem relevanten Thema aus der Bibliothek seiner Eltern.

Da war Reise in die Psyche von M.G.A. Bangal, das ein Kapitel über Psychokinese beinhaltete, PSI, PSK und andere total komische Sachen von Theodor Beckmesser, und die Definition von Telekinese im Encarta Lexicon.

Letztere behauptete: „Telekinese f. die angebliche psychische Kraft, unbelebte Objekte ohne Gebrauch physischer Einwirkungen zu bewegen oder zu verformen. Telekinetisch adj. …", und so fort. Das Werk Beckmessers erwies sich als noch weniger hilfreich. Laut dem handelte es sich bei Telekinese um PSK, und wenn man unter PSK nachschlug, fand man 1. Psychokinese und 2. Postsparkasse. Das Sprachniveau des Titels wurde beibehalten, weshalb Mort dieses Buch dem Ziegel folgen ließ. Zufrieden das Jaulen von der Straße vernehmend, nahm er Reise in die Psyche zur Hand.

Fasziniert laß Mort nicht nur das Kapitel, das ihn betraf, sondern gleich das ganze Buch in einem Zug durch. Der Titel mochte einfallslos und das Layout zum davonlaufen sein; der Inhalt war umso fesselnder.

Freilich hatte Harold Mortison sich schon mehrmals über dieses Thema Gedanken gemacht und war aufgeregt, neben vielen neuen Informationen auch einige seiner alten Theorien und Ideen bestätigt zu finden.

Er laß die Einleitung, woraufhin er, ohne es zu bemerken, mit dem ersten Kapitel anfing, anstatt gleich zu Psi zu kommen.
So informierte er sich über den Aufbau seines Gehirns, die Entwicklungsphasen im Leben eines jeden Menschen, über Traumdeutung, Auren und Drogen. Wirklich gefesselt wurde er, als es um außersinnliche Wahrnehmung ging.

Berichte von Menschen, die den Geist eines Freundes oder Verwandten gesehen und später herausgefunden haben, dass ebendiese Person zu ebendieser Zeit verstorben war (hier stiegen Mort kurz die Tränen in die Augen, doch er verdrängte die schmerzlichen Erinnerungen und zwang sich, weiterzulesen); die Rede war von Kommunikation zwischen Geistern, Wahrnehmung mit keinem der uns bekannten Sinne. PSI. Dazu gehörig, fuhr die Lektüre fort, war außerdem noch die Fähigkeit, Dinge und Ereignisse über große Entfernung hinweg zu sehen, zu hören oder zu fühlen, Präkognition und Psychokinese.

Mort erschauderte bei der Beschreibung des Begriffs, denn es war genau, wie er es erlebt hatte. Meißtens verwirrte Teenager (check, dachte Mort), die eine schwere Zeit durchmachen (check), und über eine lebhafte Vorstellungskraft verfügen (check).
Je stärker man sich wünscht, es zu schaffen, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit dafür. Mist.

Das unterbrach seine manischen Vorstellungen von seinem telepathisch gegen eine Wand fliegenden Lehrer.

Er durfte es sich nicht wünschen.

Und, so entnahm er dem Text außerdem, würde es am ehesten funktionieren, wenn er unter großem Druck, Stress oder dem Einfluss starker Gefühle (nicht Drogen, Gefühle) stand.

An dieser Stelle schlief Mort ein, voller Erwartung an den darauf folgenden Samstag denkend, denn er hatte einige Ideen.


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