Heute war ich beim Digiday Vienna 09. Eine Spezialveranstaltung der Digitalks Reihe von Meral Akin-Hecke, welche die BlogWerkstatt bereits in den Anfängen vor zwei Jahren unterstützt hat. Ich habe eine Zeit lang das Livestreaming für Digitalks übernommen und mehrere Vorträge gehalten. Der neue Claim „Medienkompetenz für Menschen über 26“ richtet sich zwar an eine ältere Zielgruppe, ich bin dennoch der Meinung, dass es auch vielen Menschen unter 26 gut täte, sich den einen oder anderen Vortrag anzuhören. Aus diesem Grund habe ich bereits ein Digitalks Spezial an der Universität Wien gehalten und bin offen für weitere. Die monatlichen Digitalks sind kostenlos und der Digiday war mit 15€ in einem leistbaren Bereich. Alle Vorträge wurden live gestreamt und können im ustream Channel nachträglich angeschaut werden.
Ich habe zwei Vorträge gehalten. Einmal über Realtime Web und einmal über Livestreaming (Video) selbst.
Die Keynote hat Ibrahim Evsan gehalten. Falls ihr 45 Minuten Zeit habt, könnt ihr sie euch hier komplett anschauen. Während der Keynote habe ich mich auf Twitter negativ darüber geäußert:
„Stimme nicht mit allen Punkten von @ibo überein. Aber als euphorische Keynote gut. #ddv09″ (Link)
„@lena_d Bin von der Keynote auch enttäuscht. Marktbashing und halbrichtige Übereuphorie. #ddv09″ (Link)
„@kigo Ich dachte @ibo hat eine ähnliche Sicht, wie ich. Aber wir sind dann wohl doch oft anderer Meinung. #ddv09″ (Link)
Dazu muss ich schreiben, dass ich Ibo schon seit längerem interessiert verfolgt. Er gehört zu den populärsten Gründern im deutschsprachigem Raum und ich konnte zu vielen seiner Aussagen nicken. Doch diese Keynote passte mir nicht. Und dass sie mir nicht passte, passte mir noch weniger.
In der zweiten Pause ist Ibo dann zu mir gekommen und und wir haben kurz darüber gesprochen, doch ich habe es nicht geschafft in der kurzen Zeit, er musste dann zum Flughafen, zu definieren, was mich an der Keynote gestört hat. Das Thema hat mir aber keine Ruhe gelassen und so habe ich mich entschieden mich intensiver damit auseinanderzusetzen. Das Ergebnis habt ihr vor euch. Ich habe mir die Keynote noch einmal angesehen und daraus mehrere Schlüsse gezogen. Vor allem über mich selbst.
Dem Visionär seine Keynote
Ibrahim Evsan hat über die vernetzte Welt gesprochen. Von der Wichtigkeit bei Google eine gute Position zu haben, den ohne werden die Kunden woanders kaufen. Wir müssen gefunden werden. Als Sevenload neue Mitarbeiter eingestellt wurden, hat man sie gegoogelt. Wenn sie nicht gefunden wurden, war man misstrauisch. Ibo vertraut dem Netz, ist authentisch. Denn alles andere wäre Wahnsinn. Man kann sich nicht den ganzen Tag darum kümmern, dass Bilder von einem selbst aus dem Web entfernt werden. Entwickler gehören nicht in den Keller, sondern in die Chefetage. Sie sind die Schöpfer unserer Welt. Man kauft weil es schön ist. Medien zwingen uns dazu „Alles ist super.“. Geräte werden furchtbar einfach. Heute muss man keine Computer mehr einrichten, keine Drucker mehr installieren. Wir lieben sie die Gadgets alle. Sie sind unsere Spielzeuge. Für Männer sehr wichtig, für Frauen immer mehr. Weil se schöner werden. Keiner hat dem Onliner etwas zu sagen. Wenn jemand vor dem Computer sitzt wird er nicht gestört, weil er etwas wichtiges machen könnte. Manche Menschen haben dynamische Persönlichkeiten. Schreiben unter verschiedenen Namen gute und böse Kommentare. Der Mensch verändert sich massiv. Die spontane digitale Evolution. Mails da, Mails dort. Twitter da, Twitter dort. In der Zukunft gibt es keine Webseiten mehr als solches. Sie vereinen sich zu Superplattformen. Unternehmen brauchen keine teuren Webseiten mehr, sondern sollten dort aktiv werden, wo die User sind. MySpace und Facebook. Nachrichten werden einmal aktiviert veröffentlicht und werden dann überallhin verbreitet. Posterous. Online ist keine Sucht sondern Fixierung. Erst wenn man an einer Maschine vorbei kommt, möchte man wissen was los ist. Ohne Maschine kein Verlangen. Im Urlaub. Insel. Strand. Palmen. Ohne iPhone würde Ibo nicht mehr klar kommen. Facebook gehört einfach zum Leben dazu. Das Meldeamt im Internet. Wer dort nicht registriert ist, existiert online nicht. Politiker sind voll die Offliner. Piratenpartei. Sie formieren sich. Kulturcrash. Es wird in Europa zu wenig Geld in das Web investiert. Menschen haben ein Gerät in der Hand, erkennen die unfassbaren Vorteile und wollen es nicht mehr hergeben. Menschen haben eine unermüdliche Datensammelsucht. Ein Schüler hat erzählt, dass er 40000 Songs besitzt. Er müsse jedes Album haben. Sortiere es alphabetisch. Spielsucht. Heldentum. Menschen sammeln Punkte. Sammelsucht. World of Warcraft arbeitet an einem Helm für Spieler. Damit sie von der Offlinewelt nicht mehr abgelenkt werden. Festplattenkapazität hat sich vervielfacht. Beweis für die Datensammelsucht. Digitale Supermächte. Ihnen ist vollkommen egal, was mit Copyright, Datenschutz usw. ist. Sie machen ihren Job. Der Mensch ist fixiert. Deutschland hat 2008 insgesamt 245 Millionen in Web investiert. Facebook 2008 200 Millionen in neue Server. Stattdessen komische Investitionen in die Automobilindustrie. Es gibt keine 10 europäische Webunternehmen, die international eine Rolle spielen. Europa hat den Markt verpasst. Nach dem platzen der Blase nicht mehr investiert. Internettraffic hat sich in Deutschland in zwei Jahren verfünffacht. 100 Millionen für Twitter wären in Europa unmöglich. Google hat es verstanden.
Dem Luca seine Antwort
Google ermöglicht keine Verkäufe. Wenn das Produkt nicht passt, reichen auch keine Platzierung. Wer gut ist, wird auch schnell nach oben kommen. Das Produkt ist wichtiger. Auch wenn man das Web nicht ignorieren darf. Vor allem Feedback, um das Produkt zu verbessern und mit den Kunden in Kontakt zu bleiben. Kommunikation ist der Schlüssel. Wenn sich ein Bewerber in einen klassischen Unternehmen bewirbt reicht es online nicht auffindbar zu sein und eine gute Bewerbungsmappe zu haben. Wer sich bei einem Unternehmen bewirbt, das mit Web zu tun hat, muss damit rechnen, dass es nicht ausreicht nichts negatives zu haben. Ich bin selbst skeptisch, wenn ich jemanden nirgends finde. Ich versuche authentisch zu werden, doch der Mensch ist oft, was er aus sich macht. Authentizität bedeutet nur noch in unterschiedlichen Situationen ähnlich zu reagieren. Es gibt Bilder, die aus dem Netz entfernt gehören, die einem schaden können. Entwickler gehören dorthin, wo sie sich wohl fühlen. Entwickler in einem Unternehmen müssen verstehen, dass nicht alles Spiel ist. Die Chefs müssen die Welt der Entwickler verstehen. Das Prinzip intrinsischer Motivation und wie man Kreativität fördert. Ich kaufe nicht, weil etwas schön ist, sondern weil es funktioniert, gut zu bedienen ist. Ich habe in den letzten zwei Wochen vier Computer eingerichtet. Windows, Ubuntu, Ubuntu Netbook Remix und Mac OSX. Es ist einfacher geworden, aber man muss es noch immer machen. Je mehr Funktionen die Geräte haben, desto mehr muss man lernen um sie zu bedienen. Jedoch wird es uns leichter gemacht, indem sich Muster wiederholen, wir gelernt haben damit umzugehen. Teilweise sind es Spielzeuge, oft sind es Nutzgeräte. Habe ich die ersten Monate mit dem iPhone nur herumgespielt, wurde es später produktiv in den Alltag integriert. Es ist angenehm damit zu arbeiten, aber es ist kein Spielzeug. Es gibt Frauen, die stärker auf das Design achten und es gibt Männer die stärker auf das Design achten. Der Mensch hatte schon immer eine dynamische Persönlichkeit. Hat sich in verschiedenen Situationen unterschiedlich verhalten. Den einen Freunden noch erzählt, wie toll etwas ist und mit den nächsten darüber gelästert. Jede Art der freien Wahl an Identitäten fordert kreativen Spielraum, der nicht immer positiv ist. Jedoch ist es nicht die Regel, dass Menschen unterschiedliche Identitäten im Web haben. Single Points of Failure sind keine guten Ideen. Nachrichten, die einmal veröffentlicht, überall auftauchen lösen das Web auf und vernetzen es nicht. Viele Plattformen, wo Menschen unwissend von den anderen diskutieren widersprechen dem Netzgedanken. Dezentrale Systeme, die Inhalte an verschiedenen Stellen darstellen, aber auch die Reaktionen überall verteilen bzw. einholen gehört die Zukunft. Mein Online ist eine Sucht und keine Fixierung. Als ich durch Europa gereist bin, habe ich Ausschau nach Internetcafés gehalten. Ich habe ständig im Kopf gehabt, dass etwas passiert. Nur wenn ich bei meiner Freundin bin, kann ich all das vergessen. Dort werde ich daran erinnert, wenn ich einen Computer sehe, werde fixiert. Politiker sind voll die Offliner. Facebook hat sich in meinen Alltag integriert, jedoch spielt es im Vergleich zu Twitter eine weit untergeordnete Rolle. Es erfüllt gewisse Funktionen, aber man muss es nicht nutzen. Ich merke es nicht einmal, wenn ich mehrere Tage nicht dort bin. Facebook ist das neue Xing. Jemand, der 40000 Songs besitzen muss, klingt für mich wie eine Ausnahme. Wachsende Festplattenkapazitäten können auch ein Hinweis auf steigende Qualität sein. Hat man früher am Computer sich mit VGA zufrieden gegeben, hat man heute 1080p. Menschen haben Angst Dinge irgendwann wieder zu brauchen. Fotos werden nicht aussortiert, weil ja jeder Schnipsel etwas dokumentiert. An der Sammelsucht könnte etwas dran sein. Ich kann weder zum WoW-Helm noch zu den Facebook Serverinvestitionen konkrete Fakten finden. Ich kenne europäische Unternehmen, die eine Rolle spielen. Jedoch nicht finanziell. Subventionen in die Automobilindustrie ist eine der dümmsten Ideen, die die Politik je hatte. Sie ist nicht mehr Leitindustrie, sondern muss sich wandeln und das tut sie nicht, wenn man weiteres Geld hineinstopft. Computer sind heutzutage für das funktionieren unserer Welt zuständig und an ihnen hängen mehr Jobs. In Europa muss wieder mehr investiert werden.
Die Conclusio
Je mehr ich mich mit Ibo und seinen Aussagen beschäftigt habe, desto öfter hat er mich an Hannes Offenbacher erinnert. Beide sind Visionäre und bei beiden stellt es mir manchmal die Haare auf, wenn sie sprechen. Sie sind Visionäre. Haben Ideen, die die Welt verändern. Sehen eine Evolution, eine Revolution und schwärmen davon. Sie sind, es die die Massen begeistern können. Sie sind es, die auch den skeptischen Typen in der Chefetage neue Ideen schmackhaft machen können. Sie sind voller Tatendrang. Wollen nicht ruhig bleiben, können nicht zusehen, wie eine Gesellschaft Chancen an sich vorüberziehen lässt. Sie halten an ihren Ideen fest, kämpfen für sie und gehen für sie durchs Feuer. Sie achten nicht auf kleine Details, sehen das große Ganze. Die Zukunft. Das Jetzt. Es muss etwas getan werden. Man darf nicht stehen bleiben und zusehen, wie andere immer weiter kommen und man selbst vor sich hindümpelt. Und wenn da vorne ein Wasserfall ist, dann paddelt man schneller, um den freien Fall zu genießen und nicht zitternd unterzugehen. Sie sprühen vor Energie und unsere Welt braucht sie.
Auch wenn ich manchmal mit schüttelnden Kopf hinter ihnen herlaufe, glaube ich an ihre Ideen. Bin in vielen Punkten der gleichen Meinung. Schaue nur etwas genauer hin und versuche all die kleinen Dinge zusammenzufügen.
Gemeinsam der Zukunft entgegen.
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