Mit dem Zug quer durch Deutschland. Es wird zur Gewohnheit und ich komme gut damit zurecht. Zugfahren mochte ich schon immer und man wird mit der Zeit gelassener, sodass man über die Fahrgäste, die sich ohne Ende über Verspätungen und überfüllte Züge aufregen nur lächeln kann. Nicht, dass ich es gut heiße, aber wenn der Zug zu lang braucht, fordere ich den entsprechenden Teil meines Tickets zurück und wenn nicht, dann ist das in Ordnung. Eine Überarbeitung des gesamten Systems wie es Bruno Weisshaupt in seinem Buch SystemInnovation ((Affiliate Link)) vorschlägt, wäre großartig, soll aber nicht Inhalt dieses Beitrags sein.
Bild: s3bsg
Ich war bei der re:publica in Berlin. Drei Tage Social Media Vorträge vom feinsten und das größte Klassentreffen der Blogosphäre. Und dort zähle ich Twitter als Mikroblogs einfach mit. Auch die Leute, die sich diesem Ding nicht zugehörg fühlen. Ähnliche wie wenn man über Autofahrer spricht und auch die meint, die sich nicht als solche sehen. Falls es das gibt. Ich möchte nicht linear durch alle Vorträge gehen, die ich besucht habe, nicht jede Person anführen die ich getroffen hab, könnte ich gar nicht, und auch nicht Dinge zusammenfassen, die man woanderes viel besser in der Originalfassung findet. In den nächsten Tagen wird man die Folien der meisten Vorträge auf der Website der re:publica finden und auch die Aufzeichnungen der großen Räume werden mit der Zeit auftauchen. Vielmehr ein paar Gedankenfetzen, die mich noch nicht losgelassen haben.
re:publica
In drei Jahren vom belächelten Bloggertreffen zur größten Social Media Konferenz in Europa. Kurz vor der ersten re:publica vor drei Jahren habe ich angefangen zu twitteren. Bei der Konferenz war ich lediglich via Livestream und Twitter dabei. Doch das hat mir gereicht. Ich war begeistert. Zeug das mich interessiert hat. Im nächsten Jahr war ich dann direkt vor Ort, teilweise von dern Vorträgen enttäuscht habe ich mehr Menschen getroffen, die ich bereits aus dem Web kannte als bei irgendeiner anderen Veranstaltung zuvor. Es war großartig, auch wenn ich damals noch zurückhaltender war als heute.
Heuer hatte ich mir eines der Bloggertickets gesichert, welches mit 75€ teuer, aber noch im leistbaren Bereich liegt. Die normalen Tickets haben 90€ gekostet. Immer noch ein guter Preis, wenn man sich anschaut was man dafür bekommt. Ein Jarvis oder Kruse kommen leider nicht auf Barcamps und sollten sie es tun, wird man auch dort passive Konferenzteilnehmer haben, die nichts beitragen und somit die Qualität des Barcamps drücken. Ein bisschen genervt hat es mich daher, als ich mehrmals Gespräche mitbekommen habe, wo man sich über den hohen Preis aufgeregt hat. Einmal wurde großartig argumentiert, dass man schließlich schon teuer nach Berlin reisen muss und die Unterkunft bezahlen.
Noch bevor ich das Ticket bezahlen konnte, hat mich Jana als Speaker vorgeschlagen. Und das habe ich dann auch gemacht. Mehr dazu weiter unten.
Die Vorträge haben mir heuer auch besser gefallen, obwohl ich bei weniger gewesen bin. Auch hätte ich gerne mit noch mehr Menschen geplaudert.
Very liberal
Jeff Jarvis und Gira Grand. Zwischen meinen Entwürfen ist der Beitrag „Das Internet ist dein Lebenslauf“. Jarvis hat über die Vorteile von Offenheit gesprochen. Warum er über seinen Prostatakrebs geschrieben hat und die der Operation folgenden Impotenz und Inkontinenz. Wie sich daraufhin andere mit den gleichen Erfahrungen gemeldet haben, wie Menschen dankbar waren, dass er so offen darüber geschrieben hat und welche Erfahrungen sie gemacht haben. Aufgehängt hat er das Thema am „deutschen Penis Paradox“. Wir, ich schließe Europäer einfach mit ein, haben eine gemischte Saune, wo wir kein Problem haben unseren Intimbereich zu zeigen, was in Amerika unmöglich ist, und zugleich regen wir uns auf, dass etwa Google Streetview uns auf öffentlichen Plätzen fotografiert. Auch wenn ich mit dem Gleichnis grundsätzlich wenig anfangen kann und es mir mehr wie ein Aufmerksamkeitsding vorkommt, kann ich seine restliche Argumentation gut nachvollziehen. Wenn wir Google verbieten in der Öffentlichkeit Fotos zu machen, darf die Presse oder wir als Blogger es bald auch nicht mehr.
Offen über Dinge zu reden, die in unserer Gesellschaft als Tabu gelten ist gut. Zum Beispiel Sexualität. Gira Grant hat sich in ihrem Vortrag damit auseinandergesetzt. Wir sind oft zu verklemmt und so kommt es dazu, dass Jugendliche nicht einmal die Basics wissen. Oder die falschen Sachen glauben. Im Internet ist es nicht sinnvoll möglich bestimmte Bereiche nur bestimmten Personengruppen zugänglich zu machen und Menschen sollten die Möglichkeit haben sich vor ihrere Volljährigkeit mit dem eigenem und anderem Geschlecht auseinanderzusetzen. Sonst nimmt man Pornofilme als Realität, weil diese teilweise einfacher verfügbar sind.
Ich bekämpfe Privacy Bedenken durch Offenheit. Schon viele gute Erfahrungen damit gemacht und genau deshalb lasse ich mich in Zukunft auch nicht mehr so stark durch Bedenken anderer einschränken. Wenn jemand ein Problem damit hat, dass ich so bin wie ich bin, soll er nicht mit mir zusammenarbeiten, mich treffen, mit mir sprechen, wasauchimmer. Durch jede Information, die ich preis gebe, verhindere ich, dass sie jemand anders falsch veröffentlicht. Und als Dreingabe bekomme ich dadurch Vertrauen. Und ja, es gibt auch Dinge, die ich nicht online stelle. Genau genommen gar nicht so wenige.
re:burn #unibrennt
Jana hat mich dafür vorgeschlagen und ein weitere Personen haben eingestimmt, was mich dazu bewegt hat beim Call of Paper mitzumachen. Als ich dann die Mail bekommen habe, dass ich dabei bin, habe ich mich sehr gefreut.
Auf den Vortrag gehe ich hier nicht weiter ein, wen es interessiert, kann ihn sich hier irgendwann anschauen und die Präsentation re:burn selbst ist auch online.
Schon im Vorfeld hat mich der Bayrische Rundfunk für ein Fernsehinterview auf der re:publica angefragt und direkt vor Ort kam dann noch Radio fritz auf mich zu. Gibts auch alles online. Südwild und Trackback.
Wiederholung der Geschichte
Seit ich mich erinnern kann, hat es immer wieder Diskussionen über Werbung in Blogs gegeben. Bei der re:publica wurde ich wieder darauf hingewiesen, dass es schwierig ist von „der Blogosphäre“ zu sprechen. Es gibt inzwischen sehr viele Sub-Netzwerke, die teilweise vielleicht sogar größer sind, als die von mir wahrgenommen Blogosphäre. Eine davon sind die Modeblogs, die sich auf einem Panel über schon erwähnte Werbung unterhalten haben. Es hat sich so angefühlt wie die Diskussion, die „wir“ vor zwei bis drei Jahren geführt haben. Inzwischen ist Werbung unter bestimmten Kriterien weitgehend akzeptiert, wie auch MC Winkel in seiner Session über das Leben als Faulancer zu berichten wusste. Nicht so bei den Mode Blogs. Ich glaube auch, dass man niemanden beleheren kann oder soll, wie die Diskussion ausgehen wird, weil die Entwicklung durchgemacht werden muss. Auch um bestimmte Dinge zu verstehen. Die Argumente sind heute wie damals die gleichen.
Ich freue mich jedoch, dass die Blogs in anderen Bereichen immer stärker werden und so ist es auch passend, dass wir bei Blögger gerade eine Fashionbloggerin vorstellen.
Mehr als Internet
Werner Görz hat über Geld gesprochen. Er wirkte dabei etwas wie ein Märchenonkel, ich mag seine Ideen dennoch und habe auch vieles schon so erlebt, wie er es erzählt hat. Es ging um das bedingungslose Grundeinkommen. Dass Menschen zwei Menschenbilder haben, das von sich selbst, die natürlich trotz bedingungslosen Grundeinkommen weiterarbeiten würden und das der anderen, die sich dann auf die faule Haut legen und nichts mehr tun. Über den Überfluss in dem wir leben und dass es um die Trennung von Arbeit und Einkommen geht. Einkommen ermöglicht Arbeit nicht umgekehrt. Wir sollten arbeiten, weil wir einen Sinn darin sehen, nicht weil wir müssen, um an Geld zu kommen. Es würde die Gesellschaft verändern.
Keine Konferenz
Auch wenn viele Themen ernst waren und dementsprechend behandeln wurden, hat es bei der re:publica genügend Unterhaltung gegeben. Royal Review 1, Twitterlesung, Laberflashmob, Catcontent, Party. Viele tolle Dinge, die für Aussenstehende meist absurd wirken. Ich habe viel gelacht.
Die re:publica ist kein Barcamp, soll sie auch nicht sein. Sie öffnet das Thema Internet einem größeren Personenkreis, bietet den Webmenschen eine Bühne und hat dazu noch Vorträge, die sogar für regelmässige Barcampgänger interessant sind.
Ich werde nächstes Jahr wieder dabei sein. Und du?
Beitrag schon letzten Freitag im Zug geschrieben, aber nicht dazugekommen in online zu stellen. Andere re:views.
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