Arbeiten in großen Unternehmen

Ich glaube die Arbeitswelt ist kaputt. Ziemlich sogar. Warum ich das glaube und was work|i|o damit zu tun hat.


Bild: Georg Schütz ((Ich und Werner Drizhal bei einem anderem Talk.))

Vor zwei Wochen war ich beim #sbsm Camp ((Veranstaltung zum Buch bei dem ich Autor war.)) in Wien. Am zweiten Abend habe ich an der Podiumsdiskussion ‘Arbeitsplatz 2.0 – quo vadis? Potentielle Veränderungen in der Arbeitswelt von morgen’ teilgenommen. Obwohl das Thema die Zukunft war, sprachen wir vor allem über Dinge, die schon statt finden. Finde ich auch besser. Für mich war es wieder einmal ein Einblick in die derzeitige Arbeitswelt, wie sie für viele aussieht.

Ein Punkt der hängen geblieben ist, ist die Aufteilung der Arbeitnehmer in geniale Alleskönner und einfache Arbeitskräfte. Die genialen Alleskönner sollten etwa 20 Jahre alt sein, 40 Jahre Berufserfahrung haben und sich sowohl mit ihrem jeweiligen Gebiet, dem gesamten Unternehmen und Prozessen auskennen. Sie sind dazu da Prozesse zu gestalten, wichtige Dinge zu tun und dafür zu sorgen, dass alles reibungslos läuft. Auf der anderen Seite der normale Arbeitnehmer, der keine besondere Qualifikation braucht (aber muss natürlich trotzdem top ausgebildet und bitte, bitte herrschaftshörig sein). Diese sind die neuen Fließbandarbeiter. Sie bekommen ein Teilgebiet, wo sie in der Regel die immer gleichen Arbeiten erledigen müssen. Sie wissen weder wie das ganze eigentlich funktioniert und können auch nur schlecht auf Veränderungen reagieren. Sie arbeiten nach dem Schritte-Schema. Es gibt einen Trigger, etwa der Kunde, der in das Geschäft kommt. Dann wird gewartet und nach einer gewissen Zeit, wenn er nichts von selbst nimmt, angesprochen. Je nach Frage wird er an jemand anderen weitergeleitet oder es werden ein paar Produkte empfohlen. Je nachdem, was von oben gerade vorgegeben wurde. Regelmäßig bekommen sie neue Informationen, welche Produkte gerade an wen verkauft werden sollen. Mit den Produkten selbst kennen sie sich nicht wirklich aus, sondern sie arbeiten stärker nach dem Frage-Antwort Schema, das von oben vorgegeben wurde. Und auf nicht vorgesehene Fragen kommt das “Das weiß ich leider auch nicht.”. Das ist natürlich alles stark übertrieben und trifft nicht auf alle zu, aber so klang es in meinem Kopf, was ich auf der Podiumsdiskussion hörte.

Die Unternehmen sind so groß, dass die einzelnen Räder (Arbeitskräfte) keine wichtige Rolle mehr spielen. Die Prozesse stehen im Mittelpunkt. Alles muss optimiert werden. Die normalen Arbeitskräfte sind Rohmaterial (nicht dumm, aber auch nicht zu intelligent, damit das System nicht hinterfragt wird) von der Uni, das dann durch Schulungen auf das jeweilige Einsatzgebiet getrimmt wird. Es ist zwar nicht der eine Handgriff, wie bei Ford, aber hat dennoch gewisse Ähnlichkeiten. Dass die Arbeitskräfte somit austauschbar sind, sollte auch jedem bewusst sein. Außerdem spielt, wie schon gesagt, die Qualifikation des einzelnen eine geringere Rolle. Das Bakkalaureat, wo die Arbeitskräfte nach flotten 3 Jahren fertig sind, ist ein idealer Zulieferer.

Die genialen Alleskönner sind auch gerne externe Berater. Die kennen sich dann wiederum konkret mit einem Prozess aus, den sie für das Unternehmen erstellen oder optimieren sollen. Und die betriebsinternen Alleskönner, müssen das dann irgendwie implementieren, wobei der Prozess nochmals vergewaltigt wird, damit er auch mit den vorhandenen Strukturen zusammenhängt. Da gibt es auch das schöne Beispiel, wo in einem Lager das Ordnungssystem geändert wurde, weil es auf Farben basierte und neue Lagerbestände umständlich einzuordnen waren. Also überlegte man und kam mit einer Taxonomie, mit der alles sauber organisiert wurde. Implementiert und schon kam das ganze Lager zum Stillstand. Viele Lagerarbeiter hatten es nämlich nicht so mit dem Lesen.

Zurück zu den Unternehmen. Ich glaube dass, das aktuelle System funktioniert. Und durch die ständige Optimierung und vor allem Leuten, die sich nicht an die Regeln halten, wird es auch noch länger gehen. Die Folge sind allerdings viele Menschen, die arbeiten, um Geld zu verdienen, um sich Dinge zu kaufen, für die sie keine Zeit haben. Vollbeschäftigung ist auch so ein Unsinn, über den ich noch irgendwann schreiben werde. Ich glaube, dass viele Menschen mir ihren Jobs unzufrieden sind. Während dem Studium oder danach über ein Praktikum reingeschlittert (“Ich brauchte das Geld.”), übernommen worden und danach sich nicht mehr aufgerafft etwas anderes zu suchen. Schließlich hat man immer höhere Fixkosten mit der Zeit, die Arbeit bringt gutes Geld und so schlimm ist sie dann auch wieder nicht. ((Hier wird es so bald keine Revolution geben, weil es uns zu gut geht.)) Arbeitswechsel ist immer mit Risiko verbunden, schließlich will man nicht vom Staat abhängig sein. Arbeitslosengeld, Hilfe! Also weiterarbeiten und sich über die Gehaltserhöhung freuen, die gerade mal die Inflation ausgleicht.

So ein Arbeitsplatz ist auch sehr sicher. Und immer brav die Pension einzahlen! Nur doof, dass Unternehmen vor allem über den Aktienkurs funktionieren. Wenn der sinkt, muss man halt ein paar Leute entlassen. Das kommt immer gut. Kostensenkung ftw! Und die Produktion könnte man auch auslagern. Vielleicht noch irgendwas mit den Steuern schieben. Ich habe gehört Lobbying funktioniert auch recht gut. Und dann noch etwas EU Förderung. Ich werde unverschämt. Eine Spur zu viel Übertreibung. Siehe Kommentare.

Von den Menschen, die ich in meinem Leben getroffen habe, hatte bisher noch jeder bestimmte Fähigkeiten und Talente. Bestimmte Dinge, die sie so richtig gern macht und auch gut darin ist. Manchmal wird es Hobbys ausgelagert, manchmal erstickt es unter Zeitmangel, manchmal wird es zum Beruf gemacht. Meist als Alleskönner, in einem kleinem Unternehmen oder als Selbständiger. Selten als kleines Rad in einem großen Konzern.

Und irgendwo da oben liegt mein Faden, den ich jetzt nicht mehr aufhebe, sondern auf den Beitrag von Bruno bei ReadWriteWeb verweise. The Long March from Crowdsourcing to a Global Meritocracy

Bruno ist der Gründer von work|i|o und ich kümmere mich um Kommunikation. Gemeinsam mit unserem großartigen Team wollen wir die Arbeitswelt auf den Kopf stellen. Aber mehr dazu in den nächsten Tagen und Wochen.

Und jetzt sagt mir, warum ich vollkommen falsch liege und meine Sicht viel zu extrem ist. Irgendwie funktioniert das System schon und alle sind eh zufrieden. Und so.


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Kommentare

7 Antworten zu „Arbeiten in großen Unternehmen“

  1. Avatar von Martin Schmidler
    Martin Schmidler

    Ich kann zur Arbeitswelt an sich nichts sagen, habe bis auf ein paar Ferialjobs keinerlei Erfahrung. Glaube aber deinen Aussagen, hört sich plausibel an.
    Was im Artikel irgendwie fehlt ist der workio-Part, den du in der Einleitung versprichst. Bruno Haid erklärt das in seinem Text zwar, aber das Problem von rücksichtslosem Gewinnstreben, die Abhängigkeit vom Aktienkurs, die du kritisierst – wird workio das lösen?

    1. Avatar von Luca Hammer

      Direkt nicht. Wie sehr man sich vom Aktienkurs abhängig macht hängt von der Unternehmenskultur und den Führungskräften ab. Das kann und wird work|i|o nicht ändern. Aber wir zeigen und geben Arbeitnehmern eine Alternative, die nicht so risikoreich ist wie ein Jobwechsel, aber die Möglichkeit gibt in ein anderes System zu schnuppern und möglicherweise komplett umzusteigen.

  2. Avatar von David

    An dem Punkt, wo du meinst, dass Leute aufgrund der Aktienkurse ihre Stellen verlieren, stimmt nicht ganz… Und wenn das Kürzen des Personals der einzige Weg ist, die Kosten zu senken, dann stimmt etwas grundsätzlich falsch mit dem Unternehmen. In dieser Hinsicht kann man froh sein, einen neuen Job suchen zu müssen. Bereits hier als ArbeitNEHMER sollte man sich über die potenziellen Arbeitgeber schlau machen, damit man weiß, ob man eine Stelle in einem vernünftigen Unternehmen annimmt.

    Der eine Absatz ist grundsätzlich falsch und meiner Meinung nach etwas übertrieben (aber ich glaube, dass das dein Ziel gewesen ist) aber sonst stimme ich dir ganz zu. Es müssen Änderungen am Arbeitsmarkt stattfinden und zwar auf beiden Seiten der Transaktionen. Ob workio das in Bewegung setzen kann, weiß ich nicht, aber ich wünsche euch viel Glück/Spaß damit!

    1. Avatar von Luca Hammer

      Da hast du Recht und ich mich etwas in Rage geschrieben. Merkt man auch am Schreibstil, der ausufert. Habe ihn einmal durchgestrichen, damit er den Rest nicht mit runterzieht. Grundsätzlich ging es darum, dass in manchen Unternehmen der Aktienkurs als sehr wichtig gesehen wird und die eigentlichen Unternehmensziele in den Hintergrund geraden. Auch unterstützt von Medienberichterstattung. Würde ich eine Doktorarbeit schreiben erfände ich einen Begriff, der der Mediokratie der Politik in der Wirtschaft entspricht.

      An Glück glaube ich nur begrenzt. Spaß ist das perfekte Stichwort, das ich leider selbst manchmal aus den Augen verliere. Danke.

  3. Avatar von Robert

    Naja, so unrecht hast Du nicht mit dem durchgestrichenen Abschnitt. Oft gehen die Unternehmen zwar nicht den direkten Weg des Stellenabbaus, aber es gibt ja auch andere Möglichkeiten der Personaloptimierung.

    Das muß dann nicht einmal in börsennotierten Firmen der Fall sein, sondern ist auch in KMU zu finden. Auch in sozialen Berufen rennen mittlerweile Manager mit Stoppuhren hinter „normalen Arbeistkräften“ hinterher.

  4. […] Abneigung gegenüber Rechnungen (schreiben) und Priorisierung nach finanziellen Gesichtspunkten. In einem größeren Unternehmen arbeiten ist auch nicht so meins. Arbeiten in einem Startup ist nicht einfach. Man weiß nie so genau wo man […]

  5. […] Selbständigkeit, Unternehmen 18.08.2012 0Vor langer Zeit habe ich darüber geschrieben, dass Arbeiten in großen Unternehmen nicht immer toll ist. Eher im Gegenteil. Damals kündigte ich an, dass ich auch die aktuellen […]

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