Nehmt euch in Acht vor Unternehmen, die regelmäßig neue Praktikumsstellen ausschreiben, aber noch nie jemanden übernommen haben.
warum, wenn man dort als praktikant etwas lernen kann?
– Frank
Ein Praktikum kann unterschiedliche Funktionen haben. Manchmal wird es von einer Gesamtausbildung, wie einem Studium, gefordert, manchmal dient es den Praktikant_innen zum reinschnuppern in unterschiedliche Berufsfelder, aber in Zentrum steht der Erwerb praktischer Fähigkeiten, die für den jeweiligen Bereich benötigt werden. Erwerb praktischer Fähigkeiten. Es geht also darum Dinge, zu lernen, die man bisher nicht konnte.
Jemanden neue Dinge beizubringen ist aufwändig. Wir haben dazu Institutionen, wie Schulen und Universitäten, wo sich Menschen hauptberuflich darum kümmern anderen Menschen neue Dinge beizubilden. Theoretisches Wissen kann man recht gut optimieren und und somit mehreren zugleich etwas beibringen. Sobald es in die Praxis geht ist es schon schwieriger. Es bedarf einer 1zu1 Situation, wie man es an der Universität etwa bei Bachelor- und Masterarbeiten vorfindet. Die ausbildenden Menschen müssen sich auf die auszubildende Person voll konzentrieren und die jeweils einzigartigen Produkte der praktischen Arbeit kritisieren und bewerten.
Bei einem Praktikum geht es fast ausschließlich um praktische Fähigkeiten. Ein Praktikant ist jemand, der zu Beginn des Praktikums relativ wenig kann und im Idealfall von unterschiedlichen Personen im Unternehmen in 1zu1 Situationen Dinge beigebracht bekommt. In einem zeitaufwändigen Prozess, wo die Praktikantin gezeigt bekommt, was sie machen muss, es macht, Feedback bekommt, es meist erneut machen muss, wieder Feedback bekommt und dennoch beim nächsten Mal noch viele Fehler macht. Ich behaupte, dass die ausbildenden Personen, die Aufgaben selbst schneller und besser erledigen könnten als jeder Praktikant. Ansonsten müssten man in Frage stellen, ob nicht diese sich von den Praktikant_innen ausbilden lassen sollten. Es findet also ein Wissenstransfer statt, der eng mit materieller Produktion verbunden ist.
Jemanden auszubilden ist für das Unternehmen somit ein Verlustgeschäft. Die wertvolle Arbeitszeit von ausgebildetenten Mitarbeiter_innen wird dafür verwendet unternehmensfremden Personen Fähigkeiten beizubringen und dabei meist minderwertige Produkte zu produzieren. Am Ende des Praktikums, wenn die Praktikant_innen endlich soweit sind, dass sie fast gleichwertige oder sogar bessere Dinge produzieren können, wirft man sie raus und fängt wieder von vorne an? Wirkt nicht sehr logisch.
Ich sehe drei Möglichkeiten, warum Unternehmen Praktikant_innen trotzdem annehmen.
Im Idealfall sieht das Unternehmen das Praktikum als Möglichkeit tolle neue Mitarbeiter zu bekommen. Statt fertig ausgebildete, die in der Regel teurer sind, nimmt man Personen, die am Anfang der Karriere im jeweiligen Feld stehen und hilft ihnen weiterzukommen mit dem Ziel sie zu übernehmen. Schließlich hat man viel Zeit und Energie investiert, um sie für eine bestimmte Stelle auszubilden. Man geht also von einer klassischen betriebswirtschaftlichen Kurve aus, dass man erst mehr investieren muss, als man rausbekommt, um auf lange Sicht Gewinn zu machen. Natürlich kommen unterschiedliche Personen unterschiedlich gut mit den Anforderungen zurecht und somit werden nur die übernommen, die sich gut machen und der Rest wird als Verlust abgeschrieben.
Die zweite Möglichkeit, die ich auch am häufigsten mitbekomme, ist die Nutzung von Praktikant_innen für minderwertige Tätigkeiten. Minderwertig nicht als grundsätzlich schlecht, sondern als Tätigkeiten, die nicht zu den Kernkompetenzen des jeweiligen Feldes gehören. Dazu gehört das typische Kaffee holen, Dinge auf die Post bringen, Dokumente kopieren oder die Wäsche der Vorgesetzten aus der Reinigung holen. Somit kosten sie keine Zeit mehr, sondern ermöglichen den Mitarbeiter_innen mehr Zeit in ihre Arbeit zu investieren. Zum Glück ist diese Form oft kombiniert mit zweckmäßigeren Aufgaben, wodurch es für das Unternehmen zu einem Ausgleich von Gewinn und Verlust kommen kann. Das Unternehmen kann dennoch herausragende Praktikant_innen übernehmen und diese vergleichsweise schnell weiter ausbilden. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Form auch teilweise den Pflichtpraktika geschuldet ist, wo es von vorne herein unwahrscheinlich ist, dass sie übernommen werden, weil sie unter Umständen noch mehrere Jahre Ausbildung vor sich haben. Zugleich bekommt man auch beim Kaffee holen einen gewissen Einblick in die Funktionsweise der Unternehmen. Allerdings fehlt in meinen Augen das eigentlich im Mittelpunkt stehende Vermitteln von praktischen Fähigkeiten.
Die letzte Form, jene gegen die ich mich ausspreche, sind die Praktikant_innen als billige/kostenlose Arbeitskräfte. Oft erkennt man es bereits in den Ausschreibungen. Für mich gehören zu den wichtigsten Fähigkeiten, die mitgebracht werden sollten, Lernfähigkeit, Begeisterung für das jeweilige Feld und Offenheit. Hinzu kommen je nach Bereich Grundfähigkeiten wie etwa Fremdsprachen, die man unmöglich in einem Praktikum vermitteln kann. Wenn in der Ausschreibung aber schon Dinge stehen, die man eigentlich im Praktikum lernen sollte, dann passt etwas nicht. Schlimm wird es, wenn man im Unternehmen feststellt, dass man die einzige Person ist, die sich im angestrebten Bereich auskennt. Natürlich kann man sich viele Dinge selbst beibringen und ich finde es großartig, wenn Menschen sich quasi selbst ausbilden, aber dann muss man sich fragen, ob ein Praktikum das richtige ist. Stattdessen könnte man eigene Projekte umsetzen, wo man auch alleine die Lorbeeren ernten kann. Oder man strebt direkt eine normale Anstellung an und wird entsprechend seiner Fähigkeiten bezahlt. Oder man macht eine Kooperation mit einem Unternehmen, wenn man ein Projekt nicht alleine stemmen kann.
Unternehmen, die ständig neue Praktikant_innen annehmen und nie jemanden übernehmen, sind entweder unglaublich altruistisch, indem sie Zeit und Energie in die Ausbildung von Menschen stecken, die anschließend woanders arbeiten, oder sie beuten die Praktikant_innen aus, indem sie deren Arbeitsleistung nicht angemessen bezahlen. Solche Unternehmen können ihre Leistungen wiederum oft unterhalb des Marktpreises anbieten und schaden somit auch noch anderen Unternehmen, die sich fair gegenüber ihren Mitarbeiter_innen verhalten. Als Lockmittel für Praktikant_innen wird meist von Selbstverantwortung für Projekte und den zahlreichen Möglichkeiten in der Zukunft geschwärmt. Besonders fies sind solche, die Unternehmensanteile versprechen. Dann lieber gleich ein Startup mit Freunden, das den Bach runter geht, aber man viel mehr lernt.
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