17.2.2010 bis 31.3.2010
Kein Twitter, Facebook, soup.io oder tumblr.
Hinweis: Diese Aktion hat nichts mit Religion zu tun.
Jana hat auf ihren Blog darüber geschrieben, dass sie in der Fastenzeit auf Twitter verzichten wird. Im ersten Moment fand ich die Idee witzig, aber je länger ich darüber nachdenke desto mehr fasziniert es mich. Ich schreibe im Schnitt 17,3 Updates am Tag, bis zu 800 im Monat. Täglich mehrere Stunden, die ich damit verbringe Tweets zu lesen und zu schreiben. Hochfrequent. Ständig im Kopf. Was würde passieren, wenn ich diese Zeit fürs bloggen einsetzen würde?
Aber manchmal möchte ich auch wieder ohne diesen sein, möchte nicht in der U-Bahn und in anderen handlungsarmen Momenten zum Smartphone greifen, um zu schauen was sonst los ist, möchte dem Impuls, sich artikulierende Gedanken auch auf Twitter zu verfestigen, mal nicht nachgehen, nicht wissen, wie andere darauf vielleicht reagieren, sondern es nur für mich behalten.
– Jana
Ich will es ausprobieren. Kein Twitter, Facebook nur beschränkt (soweit es für die Arbeit nötig ist, keine Updates), auch die anderen Social-Web-Dienste möglichst wenig nutzen. Nur der Blog, der bleibt. Der Blog und der Google Reader. Ich möchte ganz im Sinne des Slow Media Manifest. Ich werde viel lesen und hochwertige Beiträge schreiben.
Hochfrequente Dienste wie Twitter sind großartig und haben mir einen großen Nutzen gebracht, doch sie brauchen auch einiges an Zeit und ich gebe ihnen möglicherweise mehr Zeit als nötig. Oder auch nicht. Ich möchte es ausprobieren. Als ich das letzte Mal länger auf Urlaub war, hatte ich körperliche Entzugserscheinung, wenn ich mehrere Tage ohne Internet war. Die Angst etwas zu verpassen. Auch deshalb möchte ich es ausprobieren.
Ich lade euch ein mitzumachen. Statt über einen Artikel zu twittern, eine Kommentar schreiben. Statt über eine witzige Situation zu twittern, sie in einem Blogbeitrag erzählen. Statt sich über jemanden auf Twitter aufzuregen, die Person darauf ansprechen. Statt einer @-Reply, jemanden anrufen. Die Geschwindigkeit rausnehmen.
Update 17.2. 0:55
Ich meine es wirklich ernst. Habe gerade die Domains mithilfe meines Hostfiles geblockt, sodass ich nicht auf dumme Gedanken komme.
Unter Mac OSX einfach das Terminal öffnen „sudo nano /private/etc/hosts“ eingeben, enter klicken, Passwort eingeben, mit den Pfeiltasten ganz nach unten Navigieren und die zu sperrenden Domains auf den localhost umleiten:
127.0.0.1 twitter.com
127.0.0.1 cotweet.com
127.0.0.1 facebook.com
127.0.0.1 soup.io
127.0.0.1 tumblr.com
Dann mit ctrl+o speichern und mit ctrl+x verlassen. Fertig.
Update 17.2. 1:02
Ich würde gerne wissen, ob und was die anderen über die Aktion schreiben. Zugleich merke ich, dass ich mein Mitteilungsbedürfnis nun im Blog auslebe. Updates sind schon etwas schönes. Vermutlich wird dieser Beitrag zu einem Art Fasten-Tagebuch. Wollte auf dem Heimweg schon drei Dinge twittern. Jana schreibt in ihr Notizheft, ich in den Blog. Aber nach Möglichkeit keine Tweets.
Update 17.2. 12:11
Ich drehe langsam durch. Twitter hat als Ventil gewirkt. Wenn mir etwas nicht gepasst hat, konnte ich es in die Welt hinausschreien und damit war es in den meisten Fällen aus meinem Kopf. Nun setzen sich die Dinge fest und ich bin kurz davor jemanden anzurufen und einfach zu erzählen, was mich gerade so nervt. Weiß nur noch nicht wen. Die Auskunft vielleicht.
Auch die ganzen Dinge, die ich den Tag über sehe, will ich jemanden mitteilen. Faszinierend wie stark ich in diesem Denkmuster hänge.
Update 17.2. 12:27
Der Reader ist mein Internet.
Nein, das war kein Tweet. Ich habe aber schon Überlegungen angestellt, ob es möglich wäre, diesen Post via Mail zu aktualisieren.
Update 17.2. 12:38
Die Überlegung mindestenshaltbar zu übernehmen. Als hätte ich nicht schon genug Projekte, die Aufmerksamkeit brauchen.
17.2. 17:33
Was machen die Menschen ohne Twitter mit all den kleinen Gedanken, die man über den Tag verteilt hat. Lässt man die einfach vorüberziehen? Sendet man sie per SMS an Freunde? Schreit man sie seinem Bürokollegen ins Ohr oder schreibt man sie im Restaurant auf die Rechnung?
Vielleicht sind die Menschen auch zu Twitter geflüchtet weil bei vielen Seiten der Kommentarbereich einem Sumpf gleicht indem es wenig Sinn macht sich zu unterhalten. Twitter ist elitär.
18.2. 1:28
Es ist eigenartig. Der erste Tag ohne Twitter ist um. Ich habe einen Text geschrieben. Meinen Reader zu einem großen Teil leer gelesen und freue mich auf die verbleibenden Text. Am Abend habe ich mit einem Freund getroffen. Wir haben viel geplaudert und es hat gut getan. Nicht, dass ich solche Sachen mit Twitter nicht auch gemacht hätte, aber dieses Mal hat es den Anstoß gegeben, dass ich ihn gefragt habe, ob er spontan Zeit hat. War es die ersten Stunden noch sehr schwer, ist es schon jetzt recht einfach. Ich bin gespannt, ob das so bleibt.
19.2. 0:22
Um die 200 großartige Texte gelesen. Alles, was sich noch im Reader befand, was ich behutsam aufgehoben habe. Ich wollte es nicht schnell zwischendurch lesen, sondern erst wenn ich Zeit habe. Mich auf die Texte einlassen. Das habe ich. Aber jetzt sind sie weg. Und ich muss beginnen selbst zu schreiben.
19.2. 2:08
Wenn man sich wieder einmal die Zeit nimmt durch die Blogosphäre zu streifen findet man nicht nur neue, tolle Blogs, man kann auch von sich selbst überrascht werden. Wenn man den Schreibstil von jemanden auf den ersten Blick wiedererkennt. Ich wollte schon nachfragen und nun stolpere ich einfach darüber. Und die Bloggerwelt ist so klein wie die Welt da draußen. Man kennt sich. Tut gut wieder hier zu sein.
19.2. 19:05
Auf dem N900 läuft Android. Das ist etwas, das ich rausschreien möchte. Hatte heute eine Skype-Konferenz, in der ich über das Twitter-Fasten gesprochen. Es gibt noch immer viele Dinge, die ich erlebe oder sehe und am liebsten sofort twittern würde. #mitteilungsdrang
21.2. 20:43
Twitter-Abstinenz: Tag 4
Schreibe einen Kommentar zu Luca Hammer Antworten abbrechen