Vor knapp 3 Wochen ging blognetz.com online. Der Versuch die Blogosphäre, oder zumindest einen Teil von ihr, zu visualisieren. Ein Projekt von mir und Martin Stücklschwaiger. Das Interesse war riesig. Noch viel größer. Jetzt möchte ich mir endlich einmal Zeit nehmen etwas über die Hintergründe, die Ziele und meine Ideen zu schreiben.
Vorgeschichte
Die erste noch auffindbare Netzwerkvisualisierung habe ich am 17. Oktober 2008 gepostet. Etwa ein Jahr nachdem ich mich bei Facebook angemeldet habe. Seitdem habe ich immer wieder mit diversen Tools herumgespielt und einzelne Ergebnisse veröffentlicht.
Im September 2012 habe ich mich nach einem Hinweis von Thomas Steinbrenner zum Coursera Kurs “Social Network Analysis” von Lada Adamic angemeldet.
Am 26. September 2012 habe ich das erste Mal die Facebook Gruppe Österreichs Blogger visualisiert. Damals noch mit 235 Mitgliedern. Ich habe die Gruppe übrigens nicht gegründet, wie von manchen Medien berichtet wurde, sondern wurde lediglich irgendwann zum Admin gemacht. Bei 300 gab es eine neue Visualisierung.
Irgendwann waren es 400 und ich wollte mehr machen als bloß eine Grafik. Das Interessante für mich selbst war das Herumklicken in der Visualisierung und das Bestimmen von Gruppen. Also versuchte ich etwas ähnliches fürs Web zu machen. Herusgekommen ist atblogger.
Am nächsten Tag, den 21. April 2013, fragte Daniel Rehn auf Twitter, ob ich das gleiche auch für Deutschland machen könnte. Ich meinte, dass das kein Problem sei, wenn ich eine Datengrundlage bekomme. Daraufhin hat er mit Sabine Sikorski die Gruppe Deutschlands Blogger: Ein Projekt gegründet. Innerhalb von wenigen Stunden waren über tausend Blogger_innen dabei. Mehr Zahlen und einen kleinen Überblick über die Entwicklung der ersten Tage gibt es in der Gruppe.
Aufgrund des Interesses habe ich mich dazu entschieden mehr daraus zu machen. Da ich selbst noch mitten beim Programmieren lernen war, bat ich Michael von Die Socialisten, einen Freund von früher, um Hilfe. Das Projekt wurde im Team besprochen und Martin Stücklschwaiger bekundete sein Interesse. Einen Tag später, fünf Tage nach Projektstart, wurde blognetz.com gelauncht. Martin entwickelt teils auf Agenturzeit und teils in seiner Freizeit.
Technik
Datenerfassung
Zu Beginn nutzte ich die Facebook App netvizz von Bernhard Rieder. Diese eignet sich auch wunderbar, um die Daten des eigenen Netzwerks auf Facebook zu exportieren.
Mit dem Start von #blognetz sind wir auf eine eigene App umgestiegen. Als Basis fungiert ein Framework von Die Socialisten, welches die Entwicklung gerade zu Beginn stark erleichterte. Dadurch sind wir nun unabhängig von der Gruppe, es können nicht mehr Leute ohne ihr Einverstädnis hinzugefügt werden und wir können zusätzliche Daten abfragen. Ebenfalls ist es dadurch möglich #blognetz um weitere Social Networks zu erweitern.
Aufbereitung
Die Daten von #blognetz bearbeite ich einmal wöchentlich, manuell in Gephi. Ein Open Source Tool, das ich jedem empfehlen kann, der sich mit Netzwerkvisualisierung beschäftigen möchte. Dort werden Position und Farben (Modularity) der Blogger_innen berechnet und manuell nachjustiert. Exportiert wird das Ganze als Gexf Datei.
Darstellung
Im Web kommen zwei Libraries zum Einsatz. Einmal das sehr hübsche sigma.js, welche man auf der vorläufigen Visualisierungsseite sieht und der Javascrip GEXF Viewer, welcher für Explore genutzt wird.
Motivation
Ich finde Visualisierung spannend. Ich klicke gerne darin herum, schaue mir an wie Personen miteinander verbunden sind und welche Gebilde daraus entstehen. Ein einziges großes Ziel, das ich verfolge, gibt es nicht. Dass #blognetz entstanden ist, wie es entstanden ist, hat mit seiner Dynamik zu tun, dem Interesse der Menschen, das mich am Bildschirm hängen ließ. Immer mehr Daten, die ich den Algorithmen verfüttern konnte. Ich bin nicht der Erste, der Blogs visualisiert und ich bin nicht der Beste. Aber es macht mir extrem viel Spaß.
Das Projekt für meine Bachelorarbeit zu nutzen sagt mir zu, wenn ich denn eine Uni finde, die mir dies ermöglicht.
Ich finde es schön, wenn das Projekt Menschen hilft neue Blogs zu entdecken. Als ich zu bloggen begann, spielten Blogrolls eine wichtige Rolle. Über die Jahre wurden sie aber immer seltener aktualisiert und unter anderem aus dem Grund von vielen irgendwann entfernt. Ebenfalls wurden Links immer wieder für SEO missbraucht (Kauf/Tausch), weshalb sie weiter an Aussagekraft verloren.Man lernt man ständig neue Blogs über Social Networks und Verlinkungen in Beiträgen kennen. Aber es ist auch schön in einem Verzeichnis oder gar einer interaktiven Visualisierung zu stöbern. Gerade kleinen Blogs kann eine solche ungereihte Darstellung helfen interessierte Menschen zu erreichen.
Die Netzwerke hinter den Blogs. Ich sehe wer, wen verlinkt. Über die Zeit bekommt man ein Gefühl, wie bestimmte Personen miteinander verbunden sind und in welchem Verhältnis sie stehen. Aber das ist nur ein winziger Teil. Einen etwas größeren Teil möchte ich durch #blognetz darstellen. Zu sehen mit welchen anderen Blogger_innen jemand verbunden ist, finde ich spannend.
Mein eigenes Netzwerk erkunden macht mir Spaß. Und plötzlich stolpere ich über den Blog von jemandem, den ich schon lange kenne, aber nie wusste, dass dieser auch einen Blog besitzt.
Kritik
Die Genderdiskussion
Als die Facebookgruppe erst ein paar Stunden alt war, wurde die Frage gestellt, warum es Deutschlands Blogger heißt und nicht BloggerInnen. Leider war ich zu dem Zeitpunkt noch nicht Admin der Gruppe und als ich es war, war sie zu groß, um den Namen nochmals zu ändern. Am Namen aufgehängt entstand eine hitzige Diskussion, ob man gendern sollte oder nicht. Dass ich mich schon vor Jahren dafür entschieden habe zu gendern und dies auch in diesem Projekt mache, wurde nicht beachtet. Jemand anderem schreibe ich auch nicht vor, wie er oder sie die Sprache zu nutzen habe. Mich hat damals #unibrennt überzeugt, dass mir gendern nicht weh tut, aber sich dadurch mehr Menschen angesprochen fühlen. Die Gesellschaft als System. Es wurde festgestellt, dass der bisherige Syntax nicht alle Ressourcen korrekt angesprochen hat. Daher hat man ihn angepasst. Man muss sich an die neue Version gewöhnen, aber das hat man schnell und plötzlich läuft alles runder.
Facebook ist scheiße
Ich habe meine Phasen, wo ich über Facebook herziehe. Aber meist stellt sich heraus, dass ich mit den Kontakten dort und ihrer Art Facebook zu nutzen unzufrieden bin und nicht mit dem System selbst. Facebook kann ein großartiges Kommunikationstool sein. Aber ich akzeptiere es, wenn jemand Facebook nicht mag. #Blognetz hat bisher nur Facebook unterstützt, weil es aus einer Facebookgruppe entstanden ist. Dass man auch andere Social Networks integrieren sollte, war früh klar und das Thema für mich erledigt. Dass Personen, die die Geschichte nicht kennen, es immer wieder kritisieren ist auch verständlich. Ich weiße kurz darauf hin und fertig.
Vernetzen kann man sich auch ohne Social Networks
Natürlich! Aber solche Projekte gibt es schon (zBsp. http://www.blog-intelligence.com/) und ich finde momentan spannender, was nicht direkt sichtbar ist. Ebenfalls ist es unglaublich schwer die Blogosphäre sauber über Links zu vermessen. Bei #blognetz ist jede Blogger_in, die sich selbst als Blogger_in sieht (und ein Social Network nutzt, vorerst Facebook). Egal ob mit selbstgeschriebenem CMS, mit WordPress, auf Google+, tumblr, Facebook, einem Forum oder Instagram. Der Unterschied zwischen Instagram und einem Fotoblog ist nicht so groß. Vernetzung findet auch offline, über Mails und über andere Kanäle statt. Aber das sind Daten, die aus guten Gründen nicht verfügbar sind. Was wir visualisieren ist zu einem großen Teil öffentlich. Wir beachten nur Verbindungen zwischen Personen, die beide durch ihre Anmeldung ausgedrückt haben, dass sie visualisiert werden möchten.
Zukunft
Herausforderung Zeit
Ich habe mich aus meinem Startup work.io (Neue Art des Arbeiten) für die nächsten Wochen zurückgezogen. Ich werde es weiterhin unterstützen und ich finde das Konzept wichtig, aber vorerst werde ich mich voll auf #blognetz konzentrieren.
Bei Martin ist das Ganze etwas komplizierter. Da ist die Arbeit und die Uni. Beides Dinge, die Priorität haben. Dadurch sind wir bei der Entwicklung begrenzt. Ich möchte auch nicht noch jemand ins Boot holen, weil ich aus bisherigen Projekten weiß, wie schnell das alles kompliziert wird. Alleine ist man am schnellsten und flexibelsten, zu zweit funktioniert das noch ganz gut. Aber ab drei Personen wird es kompliziert.
Geld?
Ich sehe #blognetz als Startup. Ohne Monetarisierungsmodell. Möglichkeiten gibt es viele, ob und welche man will, muss man sich überlegen. Wenn man etwas findet, das für uns und die Blogger_innen funktioniert, kann man das Projekt ausbauen bzw. meine und Martins Zeit bezahlen, sodass wir uns darüber weniger Gedanken machen. Auch Förderungen sind eine Möglichkeit. Aber das Projekt ist noch so jung, dass wir uns vorrangig auf andere Dinge konzentrieren. Vielleicht läuft es auch einfach so weiter wie bisher.
Ausbaustufen
Meine kleine Vision für #blognetz.
Statische Netzwerke
Momentan erfassen wir ungerichtete Verbindungen. Person A ist mit B verbunden. Mit Twitter kommen einseitige Verbindungen dazu. Dies ist interessant, aber wird mit der Zeit den Reiz verlieren. Man weiß, wie man positioniert ist. Schaut hin und wieder, wie andere verbunden sind. Wenn #blognetz global wird, kommt nochmals Bewegung rein.
Interaktionen
Von den Daten, die wir momentan haben, ließe sich recht gut auswerten, wer, wen, wo verlinkt. Oder auch mit wem, wo interagiert. Damit kann man den Verbindungen eine Gewichtung geben und bekommt ein besseres Verständnis für die Intensität einer Verbindung. Natürlich könnte man auch Verlinkungen in Blogs nutzen. Die Superlative davon wäre eine Echtzeitvisualisierung, wo man eine Interaktion zwischen zwei Blogger_innen als Aufleuchten der Verbindung sieht und sie rücken dabei etwas näher.
API
Nun hat man die Blogger_innen, deren Blogs, die Blgobeiträge sowie die Aktivitäten in Social Networks sauber strukturiert. Damit kann man viele Dinge machen. Analysieren wie sich Themen verbreiten. Das Zusammenspiel von Blogs und Social Networks näher beleuchten. Ähnliche Blogs finden. Alle möglichen Statistiken erstellen. Die Daten mit anderen kombinieren. Und all die Dinge, die mir selbst gar nicht einfallen. Über eine API könnte man interessierten Personen die Möglichkeit geben neues zu erschaffen.
Spaß an der Sache
Ich bin unglaublich motiviert. Es macht Spaß Feedback in der Gruppe und über diverse Kanäle zu bekommen, selbst Kritik läuft in meine offenen Arme. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich mit Martin Ideen hin- und herwerfe, wir neue Funktionen überlegen und uns gegenseitig bremsen müssen, weil nicht alles auf einmal geht.
Ich hoffe ich konnte meine Begeisterung mit euch teilen und einige offene Fragen beantworten. Falls es weitere gibt oder sonstige Anregungen, immer her damit.
Schreibe einen Kommentar